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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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WHERE THE WILD THINGS ARE (Spike Jonze/USA 2009)



"Happiness is not always the best way to be happy."

Where The Wild Things Are (Wo die Wilden Kerle wohnen) ~ USA 2009
Directed By: Spike Jonze


Nachdem der kleine Max (Max Records) mal wieder das Maß verloren und den Besuch eines Freundes (Mark Ruffalo) seiner alleinerziehenden Mutter (Catherine Keener) mit lauthalsem Protest und Geheule quittiert hat, rennt er davon, findet ein Segelboot und reist über die See zur Insel der Wilden Kerle, die Max als ihren König annehmen.

Maurice Sendaks wunderbares Bilderbuch, das eigentlich mehr für Erwachsene als für Kinder geschrieben wurde und ganz im Zeichen einer weichen Frühsechziger-Pädagogik steht, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Im Kindergarten dürften die "Wilden Kerle" die ersten Monstergestalten gewesen sein, mit denen ich faszinierten Kontakt aufnehmen konnte, und nachdem ich selbst mir im Laufe der Jahre das Buch aus unterschiedlichen Gründen bereits dreimal neu gekauft habe, gehört es bei mir längst zum didaktischen Stamminventar. Umso erfreuter und gerührter nahm ich die ja im Vorfeld sehr lange bekannten und infolge von Studioquerelen regelmäßig unterbrochenen Verfilmungspläne des formidablen Spike Jonze wahr. Um die auf ihre wesentlichsten Elemente heruntergebrochene Geschichte von Sendak in einen abendfüllenden Spielfilm zu transferieren, bedarf es wohl zwangsläufig einer Freiheiten und Ausschmückungen. Über Max bzw. den Film-Max erfahren wir manches, das bisher im Verborgenen lag: Dass er eine Schwester (Pepita Emmerichs) hat zum Beispiel, dass er seinen Dad kaum kennt und nicht sehr viele Freunde hat. Und auch die ihren graphischen Vorbildern allesamt sorgfältigst nachempfundenen wilden Kerle erleben hübsche Individualisierungsprozesse. Sie bekommen so nette Namen verliehen wie Carol, Judith, Ira oder KW und ihre jeweils ganz eigenen Charakterzüge auf die pelzigen Leiber geschrieben. Außerdem freundet sich Max mit manchen von ihnen richtig dicke an, während andere lieber unter sich bleiben. Fürderhin ist hier nicht so recht klar, ob Maxens Reise zu den wilden Kerlen ein Traumelement bleibt oder ob er sie tatsächlich vollzieht, ihre filmische Einbindung jedenfalls lässt im Gegensatz zu der literarischen beide Interpretationen zu. Ist aber letzten Endes egal und für die Effektivität der Story überdies zweitrangig.
Dem Film tut die Entscheidung betreffs dieser unterschiedlichen Aus- und Umbauten jedenfalls sehr gut; sie verleihen ihm, mitsamt der tollen musikalischen Untermalung natürlich - Songs von Karen O von den Yeah Yeah Yeahs und einem Kinderchor - seine eigene, zuweilen nicht eben unentwegt fröhliche Form und emanzipieren ihn vom erzählzeitlichen Korsett der sowieso unbedingt einzigartigen Vorlage. Am Ende bleibt eines der schönsten der mir bislang bekannten Kinostücke des letzten Jahres - von Jonze hätte ich allerdings auch nichts Minderes erwartet! Nur eines bze einen habe ich vermisst: Den Wilden Seekerl aus Sendaks Buch gab's nirgends zu sehen. Schnüff.

9/10

Spike Jonze Kinder Traum Monster Insel



Zitat

sie verleihen ihm, mitsamt der tollen musikalischen Untermalung natürlich - Songs von Karen O von den Yeah Yeah Yeahs und einem Kinderchor - seine eigene Persönlichkeit

Gerade dieses auf Massengeschmack getrimmte MTV unplugged-Geschrammele machte das Werk IMHO eher breiig: Alben kann man so sicherlich gut verkaufen, eine eigenständige Fantasiewelt heraufbeschwören wohl kaum - zu beliebig sind die Assoziationen.

Könnte ich mir's aussuchen: Morricone oder ein Früh- bis Mitt-80er Goldsmith!...but, alas:O)
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marginal sagte am 02. Mai 2010, 11:17:

Zitat

sie verleihen ihm, mitsamt der tollen musikalischen Untermalung natürlich - Songs von Karen O von den Yeah Yeah Yeahs und einem Kinderchor - seine eigene Persönlichkeit

Gerade dieses auf Massengeschmack getrimmte MTV unplugged-Geschrammele machte das Werk IMHO eher breiig: Alben kann man so sicherlich gut verkaufen, eine eigenständige Fantasiewelt heraufbeschwören wohl kaum - zu beliebig sind die Assoziationen.

IMHO überhaupt nicht. Ich fand die Musik auf eine verschrobene, eben sehr Jonze-eske Weise brillant arrangiert und untergebracht. Aber warum schreib' ich's noch, du wirst's dir denken können... :)

marginal sagte am 02. Mai 2010, 11:17:

Könnte ich mir's aussuchen: Morricone oder ein Früh- bis Mitt-80er Goldsmith!...but, alas:O)

Um Gottes Willen, völlig unpassend. Es handelt sich schließlich um einen Kinderfilm und nicht um irgendeine Räuberpistole mit Monstern und Maschinengewehren...
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Funxton sagte am 02. May 2010, 10:26:

Um Gottes Willen, völlig unpassend. Es handelt sich schließlich um einen Kinderfilm und nicht um irgendeine Räuberpistole mit Monstern und Maschinengewehren...

??

Ich bleibe dabei: das Ganze ist weder "verschroben" noch irgendwie originär. Es bleibt eine rein eklektische, pop-gefällige comfort zone - und das ist gerade bei diesem Genre eine Kardinalsdelikt. Ich fand den Film jetzt insgesamt zwar nett im Ansatz, in der Durchführung jedoch eher unausgegoren und die draufgeklatschte Indierocksoße wurde weder dem Protagonisten noch den "wild things" gerecht. Ein verschrobener Score hätte dem Ganzen zumindest eine dramturgische Richtung geben können - im Gegensatz zu einer Songauswahl, die in der 10. Minute dieselben musikalischen Charakteristika aufwies, wie in der 80.
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marginal sagte am 02. Mai 2010, 13:09:

Ich bleibe dabei: das Ganze ist weder "verschroben" noch irgendwie originär. Es bleibt eine rein eklektische, pop-gefällige comfort zone - und das ist gerade bei diesem Genre eine Kardinalsdelikt.
Ekletizismus, Pop-Gefälligkeit, Comfort-Zoning - schön und gut, vor allem aber nach meiner Auffassung alles keinesfalls a priori negativ besetzt... sehe bei "Where The Wild Things Are" auch weder die Motivation noch den ausdrücklichen Wunsch danach, etwas diesen Ordnungsbegriffen vorsätzlich Widersprechendes zu schaffen.
Was den "Verschrobenheits"-Begriff anbelangt, haben wir möglicherweise unterschiedliche Vorstellungen desselben.
Schieben wir mein Pläsier des Films meinethalben auf meine mir selbst eigene Anspruchslosigkeit. Ich halte mich aufgrund meiner besagten biographisch bedingten "Wild Things"-Liebe aber trotzdem für einen zumindest halbwegs seriösen Kritiker...

marginal sagte am 02. Mai 2010, 13:09:

Ich fand den Film jetzt insgesamt zwar nett im Ansatz, in der Durchführung jedoch eher unausgegoren und die draufgeklatschte Indierocksoße wurde weder dem Protagonisten noch den "wild things" gerecht.
Wir drehen uns im Kreis. Auf mich hatte die Musik genau diese Wirkung - auf dich nicht. Schade, aber wohl jeweils nicht zu ändern.

marginal sagte am 02. Mai 2010, 13:09:

Ein verschrobener Score hätte dem Ganzen zumindest eine dramturgische Richtung geben können - im Gegensatz zu einer Songauswahl, die in der 10. Minute dieselben musikalischen Charakteristika aufwies, wie in der 80.
Ein "verschrobener Score" von Morricone oder Goldsmith? Wir haben in der Tat verschiedene Auffassungen des Begriffs... Im Übrigen sehe ich schon aufgrund der Identität der Songinterpreten nichts Verwerfliches an den einheitlichen musikalischen Charakteristika, von der traumartig-flächigen Stimmung des Films, die genau das von ihrer Musik verlangt, ganz abgesehen. Ein durchaus ähnliches Beispiel, das mir gerade einfällt, ist der Soundtrack zu "Punch-Drunk Love", falls du den gerade im Ohr hast.
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Funxton sagte am 02. May 2010, 12:32:

Ekletizismus, Pop-Gefälligkeit, Comfort-Zoning - schön und gut, vor allem aber nach meiner Auffassung alles keinesfalls a priori negativ besetzt... sehe bei "Where The Wild Things Are" auch weder die Motivation noch den ausdrücklichen Wunsch danach, etwas diesen Ordnungsbegriffen vorsätzlich Widersprechendes zu schaffen.

Aber genau das ist ja mein Punkt: in diesem Fall wirkt es mir eine Spur zu abgegriffen, zu sehr auf Massengeschmack á la Indiewebradio gebürstet - und das bei einem Stoff, der zumindest in den Teilen, die nicht mehr im Alltag verortbar sind, einen Schuß größerer Abstraktion vertragen hätte. Ich halte mich keineswegs für einen seriösen, spinösen oder sonstwie beflissenen Kritiker...ich habe nur kommentiert, weil es mir gerade bei diesem Film sehr störend auffiel, dass ich nie in dieser Welt ankam (als Nichtkenner des Buches).

Zitat

Ein "verschrobener Score" von Morricone oder Goldsmith? Wir haben in der Tat verschiedene Auffassungen des Begriffs...

Glaub ich nicht. Über Morricones Aufbauarbeit in diesem Bereich brauchen wir nicht wirklich zu diskutieren (allein die 70er!), Goldsmith hat neben seinen stromlinienförmigeren Sachen eigentlich häufiger betont "schräge" Sachen gemacht (ich denke an die synthetisch durchsetzten Musikwelten von "Legende", aber auch "Logan's Run" oder meinetwegen "Link" waren deutlich "neben der Spur".

Zitat

Im Übrigen sehe ich schon aufgrund der Identität der Songinterpreten nichts Verwerfliches an den einheitlichen musikalischen Charakteristika, von der traumartig-flächigen Stimmung des Films, die genau das von ihrer Musik verlangt, ganz abgesehen. Ein durchaus ähnliches Beispiel, das mir gerade einfällt, ist der Soundtrack zu "Punch-Drunk Love", falls du den gerade im Ohr hast.

Bei PDL mag das auch angehen, da die Handlung auch entsprechend verortet ist. Aber hier? Funktioniert die Musik als akustischer Sendbote des Jungen? Nö, der wird sowas wohl eher nicht hören, eher ein 50-jähriger Spike Jonze (unterstelle ich mal ganz frech). Motiviert er die sowieso kaum hinreichend erklärte Melancholie der Monster, die der Film halt eben als gegeben darstellt? Nö, sie hängt halt flächig drüber...mir ist klar, dass wir uns weitere Diskussionen schenken können, da = verschiedenen Lesarten. Ich fand's nur einfach schade, da hier ein Film vor mir ablief, der durch eine geschickte Musikdramaturgie und -entwicklung hätte gewinnen können. Immerhin durchläuft er ja auch eine Reise mit Beginn/Ziel.
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Der OST läuft hier gerade zufälligerweise. :happy:

Finde den auch große Klasse und halte ihn für einen ganz wichtigen Bestandteil des Films. Er verleiht dem Geschehen so eine relaxte Note. Spontan fällt mir da der OST zu Pat Garrett jagt Billy the Kid ein, der mich ähnlich fasziniert. Es hebt das ganze Werk nochmal auf eine ganz andere Ebene, wobei ich bei beiden Filmen nicht mehr wirklich Bild und Ton trennen könnte. Wäre mir auch ohne making-of nicht sicher, was zuerst da war. Perfektes Zusammenspiel.
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Danke dir für den Zuspruch :happy: Und stimmt, Dylans "Pat Garrett & Billy The Kid" taugt als Vergleich durchaus :cheers:
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