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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen




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Alien



(Die üblichen Spoilerwarnungen...)

Ridley Scott gehört zu den Regisseuren, bei denen man mit allem zu rechnen hat: in seinem Gesamtwerk sind Meisterwerke wie etwa Blade Runner ebenso anzutreffen wie auch völlig versemmelte Filme wie etwa Die Akte Jane.
Alien gehört für mich aber eindeutig zu den Meisterwerken. Daß der Film längst ein Klassiker gleich zweier Genres geworden ist, liegt sicherlich nicht an der vergleichsweise simplen Story: Die Besatzung des Raumschiffs Nostromo wird vom Bordcomputer aus dem Kälteschlaf geweckt, um einem (vermeintlichen) Notruf nachzugehen. Bei der Erkundung des nahegelegenen Planeten wird ein Besatzungsmitglied von einem außerirdischen Organismus angefallen, scheint sich zu erholen, doch wenig später bricht aus dessen Brustkorb ein schnell wachsendes Monster hervor, das ein Mitglied der Besatzung nach dem anderen tötet. Nur die ebenso mutige wie kühl rational agierende Ellen Ripley kommt mit dem Leben davon.
Wie dieser Plot allerdings umgesetzt wird, ist umwerfend. Das liegt insbesondere am Alien selbst: das vom Schweizer Künstler H.R. Giger entworfene Schreckensgeschöpf ist das vielleicht grauenvollste Monster der Filmgeschichte: eine ungemein aggressive Kreatur (mit ätzendem Blut), das vom wissenschaftlichen Offizier als "perfekter Organismus" bezeichnet wird, dessen "konzeptionelle Reinheit" er bewundert. Daß das schleimige Scheusal auch heute noch beeindruckend aussieht, weist Alien zugleich als ein Meisterwerk der Tricktechnik aus.
Ohnehin ist der Film auch stilistisch ein Meisterstück, was sicherlich ein Hauptgrund dafür ist, daß er auch nach über 30 Jahren kaum veraltet wirkt. Die Kameraarbeit ist ausgezeichnet, und auch die Kulissen tragen zur Wirkung des Gesamtwerks bei: erwähnt seien etwa die Kälteschlafkammern der Raumfahrer, die an gläserne Särge gemahnen (und es ist dabei interessant zu erwähnen, daß Kane zu Beginn des Films als erster erwacht: später ist er auch der erste, der stirbt - der Ausdruck vom "bösen Erwachen" paßt wohl selten so gut wie hier), und der weiße Raum, in dem diese sich befinden, wirkt in seiner kalten Sterilität kaum weniger bedrohlich als die düsteren Korridore, von denen es in der "Nostromo" auch jede Menge gibt. Freilich ist besonders an den Szenen, in denen der Bordcomputer "Mutter" vorkommt, die Entstehungszeit des Films schon anzusehen - aber ähnliches gilt wohl für alle Science-Fiction-Klassiker (bis hin zu Kubricks 2001).
Ridley Scott erweist sich aber auch als Meister des Spannungsaufbaus. So läßt er sich bis zum eigentlichen Ausbruch des Grauens sehr viel Zeit, bereitet dieses aber schon ungemein geschickt vor. Die wirklichen Schockeffekte werden dann wohldosiert eingesetzt, wobei Scott - in diesem Punkt ganz ähnlich wie Hitchcock in Psycho - die drastischste Szene des Films, in der das Alien aus Kanes Brustkorb herausschießt, ziemlich genau in die Mitte des Films setzt und sich danach mit sehr kurzen, weniger expliziten Gewaltmomenten begnügt, die auch völlig ausreichen, weil die bloße Erinnerung an diese Schlüsselszene schon ausreicht, um den Zuschauer erneut zu verstören. Auch die Filmmusik (die bei weitem nicht so aufdringlich ist, wie es in manchen anderen Horrorfilmen der Fall ist) trägt zur beklemmenden Atmosphäre des Werks bei.
Aber auch die dystopischen Qualitäten des Films sollte man nicht verkennen. Eine besondere Rolle spielt dabei der finstere Konzern, dem die "Nostromo" gehört, und der dem wissenschaftlichen Offizier den Geheimauftrag erteilt hat, das Alien zur Erde bringen; der Augenblick, in dem Ripley den wahren Zweck der Reise erfährt, ist kaum weniger schrecklich als das Alien selbst. Und der schon erwähnte wissenschaftliche Offizier Ash nimmt im Verlauf des Films immer bedrohlichere Züge an, um sich schließlich als einer der beängstigendsten Roboter der Filmgeschichte herauszustellen. Ganz ausgezeichnet ist dabei auch das Spiel Ian Holms (die Besetzung des Films ist ohnehin vorzüglich); leider hat dieser großartige Schauspieler nie so ganz die Berühmtheit erlangt, die er eigentlich verdient hätte.
Zu Recht zum Star durch den Film wurde dagegen Sigourney Weaver, die überzeugend eine überlegt agierende, mutige, keineswegs aber emotionslose Frau verkörpert. Welche extremen Ängste auch die beherzte Ripley auszustehen hat, wird besonders bei ihrer finalen Auseinandersetzung mit dem Alien im Raumgleiter spürbar. Laut Drehbuch sollte diese Figur übrigens männlich sein, es war Ridley Scott, der eine Frau zur zentralen Gestalt machen wollte und sich damit auch durchsetzte.
Alien gehört zu den bemerkenswertesten Science-Fiction wie auch zu den bemerkenswertesten Horrorfilmen: Regie, Darsteller, Ausstattung, Kamera, Musik und Tricktechnik: es stimmt einfach alles. Ein Meisterwerk.




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