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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen




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Die Vögel



Außer bei kino.de war ich mehrere Jahre lang auch auf der Seite filmde.de aktiv; diese Seite scheint nun vor einigen Tagen auch endgültig das Zeitliche gesegnet zu haben. Mir ist allerdings noch eingefallen, daß ich dort einmal einen, wie ich glaube, nicht ganz schlechten Text zu Hitchcocks Die Vögel reingestellt habe (den ich später auch noch im bekanntermaßen ebenfalls nicht mehr existierenden kino.de-Forum veröffentlichte), und es ist mir nun gelungen, diese Rezension zu rekonstruieren. Genug der Vorrede, hier ist mein alter Text:



Die Vögel basiert auf einer Erzählung Daphne Du Mauriers, wobei Hitchcock lediglich das Grundthema übernommen hat, die eigentliche Filmhandlung und die Figuren sind dagegen das Werk Hitchcocks und seines Drehbuchautoren Evan Hunter. Hitchcock stürzte sich in das Unternehmen, das zur damaligen Zeit eine ungeheure tricktechnische Herausforderung darstellte, so daß Die Vögel nicht nur sein teuerster Film wurde, sondern auch der mit der längsten Produktionszeit. Um den Film zu realisieren, wurden nahezu alle damals zur Verfügung stehenden Verfahren eingesetzt: dressierte Vögel kamen zu Hunderten zum Einsatz (wobei der Tierschutzverein sorgfältig darauf achtete, daß den gefiederten Darstellern nicht zuviel zugemutet wurde), teilweise wurden auch - aus Sicherheitsgründen - mechanische Vögel konstruiert und benutzt, und dazu kamen Animationstechniken und Spielarten der Trickfotografie.

Die Bedeutung des Films beschränkt sich aber keineswegs auf die technische Innovation - jene allein sicherte ihm wohl noch nicht seinen Platz im Pantheon der größten Meisterwerke. Die Vögel fügt sich vielmehr nahtlos in Hitchcocks Gesamtwerk ein und führt Entwicklungen aus den vorangegangenen Filmen fort, führt sie in mancherlei Hinsicht zum endgültigen Abschluß. Vogelmotive hatten schon früher bei Hitchcock eine wichtige Rolle gespielt, vielleicht am ausgeprägtesten in Psycho und in seinem Fernsehspiel Arthur (Ein Fressen für die Hühner). In Die Vögel erfährt diese Motiv nun seine eindringlichste Gestaltung, so wie der Film ohnehin in vieler Hinsicht zu den konsequentesten des Regisseurs zählt: es ist wohl Hitchcocks düsterster, pessimistischster Film, dabei einer der vieldeutigsten.

Dabei lassen die ersten Szenen nur wenig von dem heraufziehenden Unheil erahnen: Die Vögel beginnt sogar in einem eher leichten Komödienton und wird dann zunächst zum Melodram, um dann vollends in einen Horrorfilm, der sich zur Vision des beginnenden Weltuntergangs steigert, umzuschlagen. Anders als in vielen späteren Katastrophenfilmen stehen die melodramatischen Elemente und die Sequenzen, in denen die Vögel angreifen, jedoch nicht zusammenhanglos nebeneinander, sondern die einzelnen Details greifen auf raffinierte Weise ineinander. Der Anwalt Mitch Brenner fängt in der ersten Szene, die in einer Tierhandlung spielt, einen Vogel wieder ein und sagt dabei zur anderen Hauptfigur, der oberflächlich dahinlebenden Tochter eines reichen Zeitungsbesitzers Melanie Daniels: "Zurück in den goldenen Käfig, Melanie Daniels." Damit ist auch tatsächlich schon ihre Situation metaphorisch beschrieben; im Verlauf des Films wird aus diesem goldenen Käfig dann ein echter, wenn die Vögel frei sind, Melanie hingegen im Inneren von Mitchs Haus oder zuvor in einer Telefonzelle Zuflucht suchen muß (klaustrophobische Szenen, um auch dies zu erwähnen, sind eine der Stärken Hitchcocks, und in Die Vögel lassen sich gleich mehrere derartige Beispiele anführen).

Melodram und Horrorfilm gehen direkt ineinander über, der Film handelt von gestörten menschlichen Beziehungen, und diese Störungen finden schließlich in den Vogelattacken einen Ausdruck. Mitchs Mutter ist eine der typischen Hitchcockmütter, beherrschend und Melanie gegenüber feindselig, und sie ist zugleich keine dieser typischen Mütter, denn eigentlich ist sie von einer tiefen Angst erfüllt, verlassen zu werden. Diese Angst ist aber eigentlich allen Figuren in Die Vögel gemeinsam, und so kommt es auch immer wieder zu Situationen, in denen jemand allein einem Angriff der Vögel ausgesetzt wird. Zugleich ist der Film auch eine interessante Charakterstudie, der Menschen in einer Extremsituation zeigt (und den Szenen, in denen die Brenners mit Melanie zusammen im Haus eingeschlossen sind, haben sicher viele andere Filme bis hin zu Die Nacht der lebenden Toten manches zu verdanken), wobei Mitchs anfangs so dominant erscheinende Mutter immer mehr die Fassung verliert, während Melanie Verantwortungsgefühl für Mitchs jüngere Schwester entwickelt und teilweise die Rolle der Mutter ausfüllt.

Doch der Riß, der durch die aus den Fugen geratene Welt, die Hitchcock in Die Vögel entwirft, geht, ist letztlich auch für Melanie zu tief, denn in der schrecklichsten Szene des Films wird sie scheinbar eine Ewigkeit von den Vögeln angegriffen; filmisch erinnert diese Szene sehr stark an den Mord unter der Dusche in Psycho, eine ähnliche Abfolge von Schnitten, ähnlich auch die Aufnahmen vom Gesicht des Opfers, von Händen und Füßen. Die Szene in Psycho ist sicherlich stärker stilisiert und von größerer formaler Strenge, dennoch ist dieser lange Vogelangriff kaum weniger intensiv, obwohl Melanie überlebt. Sie tut es freilich nur in physischer Hinsicht, denn danach hat sie jenen starren Blick, den man aus anderen Hitchcockfilmen kennt, und der für Wahnsinnige und Tote typisch ist.

Entscheidend zur Faszination des Meisterwerks trägt fraglos auch der Umstand bei, daß der Film eine rationale Erklärung für die Vogelangriffe verweigert. Daraus ergeben sich verschiedene Deutungsmöglichkeiten: daß sich die Vogelangriffe möglicherweise als Ausdruck tief gestörter menschlicher Beziehungen verstehen lassen, habe ich oben ja schon angedeutet. Man könnte den Film aber auch als eine Parabel über die vom Menschen vergewaltigte Natur sehen, die sich am Menschen rächt. Doch fraglos dürften sich auch Kriegsängste in diesem Film niedergeschlagen haben, dessen Drehzeit nur wenige Monate vor die Kubakrise fiel. So gibt es auch immer wieder Bilder, die an Kriegsbilder erinnern, so etwa, wenn Hitchcock aus der Luft Möwen zeigt, die sich einer zerstörten Tankstelle nähern. Auch das Ausharren der Brenners in ihrem Haus während eines der heftigsten Angriffe ist inszeniert, als würde eine Bombennacht im Zweiten Weltkrieg gezeigt - und im Gespräch mit Bogdanovich vergleicht auch Hitchcock die Situation der Filmfiguren mit der Londoner Bevölkerung.

Doch er ist natürlich auch eine "Art Vision des Jüngsten Gerichts", wie Hitchcock während desselben Gesprächs auf Bogdanovichs entsprechende Frage hin bestätigt. Auch in der visuellen Gestaltung findet sich der Verlust aller bestehenden Ordnung, das Abrutschen ins Chaos wieder: immer wieder gibt es Einstellungen, in denen die Kamera leicht schräg steht, nicht besonders auffällig, aber doch zu bemerken.

Unbedingt ansprechen sollte man dabei die geradezu lyrischen Qualitäten des Films: in seinem Wechsel aus Vogelangriffen, in denen der reine Schrecken Gestalt annimmt (wobei die komponierten Geräusche, insbesondere die Vogelschreie, die mit einem Trautonium erzeugt wurden, viel zur Wirkung des Films beitragen und beinahe noch schlimmer als die Bilder sind) und Phasen völliger, aber stets bedrohlicher werdender Ruhe, folgt er nicht so sehr einer klassischen Dramaturgie, sondern ist eher strophisch aufgebaut, wie ein Gedicht - und als solches läßt er sich vielleicht auch am besten verstehen. Aber auch Anklänge an die Malerei sind vorhanden - so nahm sich der Production Designer Robert Boyle Edvard Munchs Gemälde Der Schrei zum Vorbild, und in einer Szene kommt Hitchcocks Film Munch tatsächlich auch extrem nahe: wenn Mitchs von Jessica Tendy gespielte Mutter einen toten Farmer entdeckt hat und den Mund zu einem Schrei öffnet, den man als Zuschauer nicht hört.

Hitchcocks Wunschvorstellung wäre es übrigens gewesen, den Film mit einer Einstellung der über und über von Vögeln bedeckten Golden Gate Bridge enden zu lassen, doch das ließ sich wohl technisch nicht verwirklichen. Doch auch so ist ihm mit Die Vögel ein herausragender Film gelungen, dessen offenes Ende übrigens auch dadurch betont wird, daß das seinerzeit übliche "The End" am Schluß fehlt.

(Zuerst veröffentlicht auf filmde.de am 30.12.2007, später auch auf kino.de)

kino.de



Neben Vertigo ist mir The Birds am liebsten von allen Hitchcock-Filmen. Er ist eben auch ein exzellenter Film über die menschliche Unsicherheit, wenn wir uns in eine neue Beziehung begeben. Und hat, neben der akribischen Vogelarbeit, auch etliche inszenatorische Einfälle, die man, wie bei Hitchcock üblich, am Anfang gar nicht als Stilmittel wahrnimmt. Mein Liebling ist die gefrorene Zeit bei der Attacke auf die Tankstelle.
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Sehr schöne Kritik zu einem Film, den ich lange unterschätzt
habe.
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Ja, exzellente Besprechung. Danke!

Liebe "Die Vögel" seit der ersten Kindheitsbegegnung in den 70ern und habe ihn seither womöglich ein Dutzend mal gesehen. Virtuose Stilübung (ohne Filmmusik!), Technik in Perfektion, einige der schönsten Bilder der Filmgeschichte, eine der schönsten Frauen. Und gemeinsam mit "Psycho" alles, was der moderne Horrorfilm braucht. Auf dem Silbertablett. Praktisch aus dem Nichts gestampft.

Klar war Hitchcock ein Egomane, der seinen künstlerischen Mitstreitern Mitruhm verweigerte. Aber allein durch die Doppelleistung Psycho/Vögel ist er in meinen Augen voll entschuldigt.
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Schöner Text. Auch bei mir steht The Birds ganz oben im Hitchcock-Ranking.
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Kann mich dem oben geschriebenen nur anschließen. Sehr gute Besprechung :)
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Vielen Dank für eure wohlwollenden Kommentare. Die freuen mich auch deshalb, weil der Text früher nahezu unbeachtet geblieben ist - wobei filmde.de, das Forum, für den ich ihn ursprünglich mal geschrieben habe, ein kleines Forum mit nur wenigen wirklich aktiven Mitgliedern war; dort gab es eine starke Fellini-Fraktion, Hitchcock galt aber nicht viel, und daher war ich immer bemüht, die leute von Hitchs Qualitäten zu überzeugen. Wirklich durchgedrungen bin ich damit zwar nicht, aber als dieses Forum jetzt auch endgültig sein Leben ausgehaucht hat, dachte ich mir, daß ich zumindest die Vögel-Besprechung retten könnte - und im Ergebnis finde ich nach zwei Tagen mehr Reaktionen darauf als vorher in fünf Jahren! Feine Sache. :)

In meiner persönlichen Schätzung steht The Birds im Hitchcock-Kosmos zwar nicht ganz oben, darüber befindet sich noch das Trio Rear Window, Vertigo und Psycho (wobei mir Psycho vielleicht von allen am liebsten ist, hauptsächlich wegen der extrem dichten Atmosphäre, auch wenn Vertigo der vielleicht reichere und noch etwas bessere Film ist), aber The Birds ist nicht allzuweit davon entfernt. Und in mancher Hinsicht ist es Hitchcocks gewagtester (das meine ich jetzt hauptsächlich im filmtechnischen Sinn) und innovativster Film. Ähnlich wie Antoine brauchte ich auch einen etwas längeren Anlauf, um die wahre Größe dieses Films zu erkennen, als ich ihn, damals mit 15, das erste Mal gesehen habe, fand ich ihn noch gar nicht so toll - allerdings habe ich mich zu der zeit auch noch nicht wirklich für Film interessiert.

Ganz interessant finde ich noch, daß Fellini, der doch ein ganz anderes Filmuniversum als Hitchcock erschaffen hat, ein großer Fan der Vögel war. Merkwürdig, daß ich seinerzeit versäumt habe, dies in der Besprechung zu erwähnen...
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Interessant ist an den Vogelangriffen, neben ihrer technischen Umsetzung, auch das Angriffsmuster, das Hitchcock ihnen zugedacht hat. Während die ersten 4 Vogelangriffe auf einer visuellen und auditiven Ebene funktionieren und sich bis zum vierten Angriff in ihrer Tondramaturgie steigern, konditioniert Hitchcock den Rezipienten durch die synthetischen Vogelgeräusche soweit, dass bereits die Geräusche selbst, bei Angriff 5 und 6, ausreichend sind, um eine visuelle Vorstellung entstehen zu lassen und somatisches Unbehagen auszulösen. Umso unglaublicher, dies nicht zu steigern, indem man den Rezipienten durch ein crescendo in der Anspannung zurücklässt, sondern es zu steigern, in dem man die Tondramaturgie in ihrer Lautstärke beim siebten und letzten Angriff wieder zurückfährt und nur über das Fast-Editing und gedämpftes Flügelschlagen ihre Gefährlichkeit demonstriert. Die kognitiven Kompetenzen der Vögel werden von Hitch dadurch soweit getrieben, dass man den Eindruck bekommen könnte, sie wollten, heimlich und unbemerkt von den Personen eine Etage tiefer, einen gezielten Mord an Melanie begehen. Ebenso das Prinzip der Stille als tonales Prinzip zu nutzen war damals noch völlig neu. Etwas vergleichbar Präzises in Verbindung einer Bild- und Ton-Dramaturgie habe ich nicht gesehen. Zumindest nicht in der für Hitch so einmaligen Form, damit eine eigentliche x-te Parallelhandlung zu erzählen (die zunehmende Intelligenz und das planerische Verhalten der Vögel, in Verbindung mit der formalen Entwicklung und Präzision; durch diesen Ansatz könnte man übrigens Zizeks psychoanalytischen, den kosmologischen und ökologischen Interpretationsansatz verbinden, die gerne im Zusammenhang mit dem Film genannt werden). Habe zu dem Thema der Tondramaturgie auch mal eine schöne Arbeit gelesen.

Und zu Fellini und Hitchcock:

Ich denke, dass das Problem bei vielen Filmfans darin besteht, dass sie Film oft auf einer rein inhaltlichen Ebene betrachten und das eigentliche Wesen von Film ihnen oft fremd ist. Bei Hitchcock geht es doch nicht vorrangig um die Geschichten, sondern um seine verkantete, suggestive Kamera. Bei Hawks geht es um seine Horizontalen und Vertikalen, die er mit seinem rhythmischen Schnitt verbindet. Bei Ford geht es um Horizontverlagerungen und Objektabstände. John Ford war übrigens einer der Lieblingsregisseure von Fellini (vielleicht sogar der). Solange man sich bei einem Film einzig auf Inhalte kapriziert oder mit kulturellem Dünkelverhalten an die Sache geht, kann man nicht verstehen warum.
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Sehr tiefe und lesenswerte Ausführungen zu den Vogelangriffen, vielen Dank dafür!

Was die Filmfans und ihre Sichtweisen/Blickwinkel betrifft, kann ich Dir insofern zustimmen, daß ich bei verschiedenen meiner Mitdiskutanten im besagten Forum - ohne ihr Filminteresse in Abrede stellen zu wollen - verschiedenfach den Eindruck hatte, daß sie Filme nach nicht unbedingt filmischen, häufig literarischen Kriterien beurteilten. Eine Userin schrieb mal zu einem Film, er stelle die von ihr sonst "schmerzlich vermißte" Synthese von "Kino, Poesie und Theater" dar - und dies machte mir ganz gut klar, warum wir nur selten einer Meinung waren, denn ich mag reinen Film - wozu ich so verschiedene Filme wie etwa Eraserhead, Tystnaden, North by Northwest oder eben auch Rio Bravo zählen würde - lieber als irgendeine ominöse Synthese von Kino und Theater.
Und klar, Fellini selbst hatte sicherlich ein besseres Auge für das, was ich "reinen Film" nennen möchte, als einiger seiner Anhänger.
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Da benennst Du auch wirklich ein Grundproblem, welches auch heutzutage noch zahlreich anzutreffen ist, weil Film eben die jüngste aller Kunstformen ist und aufgrund ihres leicht zu konsumierenden (nicht zu rezipierenden) Charakters von vielen gar nicht als Kunst begriffen wird. Es müssen sich, ähnlich wie bei einer Hilfswissenschaft, die traditionellen und etablierten Kunstformen hinzugeholt werden, um einen Film zu verstehen. Mit Film selbst beschäftigen sich auch viele Filmfans nicht. Kaum jemand möchte verstehen wie Film funktioniert. Selbst Technikinteressierte interessieren sich dann eben für die technische Umsetzung, nicht für die Semiotik bzw. wie diese Technik künstlerisch nutzbar gemacht werden kann. Diese Tragödie ist schon im ersten großen, epischen und alle Weichen stellenden Werk DIE GEBURT EINER NATION erkennbar. Der Film ist moralisch, ethisch und inhaltlich abzulehnen. Formal und künstlerisch ist er eine einzige Offenbarung. Wer sich nur mit der Geschichte oder dem rassistischen Inhalt befasst, hat Schwierigkeiten dies zu erkennen. Deswegen ist mir reine Ideologiekritik auch ein Graus. Wo so etwas hinführt, konnte man ja erst neulich wieder an den dümmlichen Aussagen erkennen, die Quentin Tarantino über Griffith und Ford gemacht hat.
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haneke, nicht tarantino.
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@aussie

ich will ja jetzt hier keinen "Birth of a Nation"-Thread aufmachen, aber doch etwas anmerken. Ich persönlich lehne "Die Geburt einer Nation" weder ethisch noch moralisch oder inhaltlich ab. Im Gegenteil.

Ich lehne es allerdings ab, unseren heutigen Wertmaßstab, der auch nur dem Zeitgeist geschuldet ist, an ein Werk von vor 100 Jahren anzulegen. Die Leute damals hatten alles Recht, die Dinge so zu sehen, wie sie geschildert werden. Ich vermag auch keine nachweisliche Geschichtsfälschung zu erkennen, wenn man von kleinen anekdotischen Details absieht.

Wer sich also ernsthaft mit Geschichte befasst, dürfte sehr glücklich sein über "Geburt einer Nation". Erstens, weil er unserem heutigen, von politischen Korrektheiten geprägten Zerrbild des amerikanischen Bürgerkriegs ein anderes, mehr von Erfahrung geprägtes Bild gegenüber stellt (das damals, wohlgemerkt, als ein versöhnliches begriffen wurde).

Zweitens, weil er uns zeigt, wie fünfzig und wahrscheinlich auch noch achtzig Jahre nach dem Krieg die Dinge von einer nicht geringen Menge Leute beurteilt wurden. Beides finde ich recht aufschlußreich.

Und wen interessiert unser heutiger Moralkompass? Vielleicht Leute, die in hundert Jahren Filme von heute besprechen. Mit vermutlich wieder ziemlich andere Wertvorstellungen.

Deshalb gehe ich mit dir konform, das Ideologiekritik nichts bringt. Aber nicht darin, daß man die Ideologie von "Birth of Nation" heute ablehnen muß. Dann folgt man doch selbst nur Ideologen, die ihre Ansicht zum Maßstab gemacht haben. Und richtet nicht nur über einen Film, sondern über eine Gesellschaft, die man gar nicht verstehen kann oder will.
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Mr. Bungle sagte am 28. März 2013, 14:39:

haneke, nicht tarantino.
Tarantinos Aussagen zu den beiden gingen ja wie ein Lauffeuer durchs Netz. Was Haneke gesagt hat, entzieht sich gerade meiner Kenntnis.
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@ hoolio

Hier werden zwei Ansätze von Dir durcheinander gewirbelt, wodurch meine Aussage so nicht korrekt wiedergegeben wird. Man kann zum einen ein Werk in seinem zeitlichen Kontext betrachten und ermitteln warum es wie entstanden ist und funktioniert (oder nicht funktioniert) hat. Und man kann das Werk in die heutige Zeit übertragen bzw. die Zeit des späteren Rezipienten übertragen und mit den momentanen gesellschaftlichen Standards abgleichen.

Wenn man nach der ersten Methode vorgeht, ist DIE GEBURT EINER NATION eine sensationelle Geschichtsstunde voller Wahrhaftigkeit. Ich war damals gänzlich übergebügelt und fand es unglaublich, wie es dem Film durch seine inszenatorische Kraft und seine geschichtliche, weitgehende Akkuratheit gelang dafür zu sorgen, dass auch ich während der Betrachtung eine zunhemende Aggression dem Aufbegehren der schwarzen Sklaven gegenüber verspürte. Ich hatte das Gefühl, dass Geschichte vor meinem Auge zum Leben erwacht sei. Selbst bei der verzerrten Darstellung des Ku-Klux-Klans als Erretter des Südens.

Bei der zweiten Vorgehensweise kann ich bspw. überprüfen, inwieweit die Dramaturgie des Filmes, dass eine Befreiung der schwarzen Minderheit in den USA zu einem Untergang von Kultur und weißer Rasse führt, sowohl historisch wie auch als Feindbild heute noch tragbar ist. Und da würde ich sagen: Nein, das ist so heute nicht mehr tragbar, da diese Elemente auf der Grundlage einer überholten rassistischen Ideologie aufbauen. Schwarze müssen nicht gepeitscht und unterdrückt werden, da sonst die Welt in tierhafter Anarchie versinkt. Solltest Du allerdings der Meinung sein, dass dies auch heute noch stattfinden sollte, wäre DIE GEBURT EINER NATION für Dich natürlich auch aus heutiger Sicht ideologisch nicht abzulehnen.

Außerdem ist DIE GEBURT EINER NATION auch schon 1915 sehr viel (ideologische) Ablehnung entgegengebracht worden. Der Film spaltete schon vor fast 100 Jahren die Nation, die Welt. Von "Zeitgeist" kann also keine Rede sein.

Nebenbei ist die Prosperität eines jeden menschlichen Genmaterials ein Naturgesetz, egal, ob der Mensch schwarz, weiß oder sonst wie aussieht. Das ist eine evolutionäre Tatsache und hat mit Ideologie erst mal gar nichts zu tun. Ideologisch wird es erst, wenn man anfängt das zu interpretieren und ja, da fühle ich mich der Ideologie, dass wir eine Welt schaffen in der wir alle zusammen leben und uns gegenseitig befruchten (kulturell wie körperlich) näher (wissenschaftlich auch wiederum gestützt, denn so vielseitiger der Gen-Pool, umso überlebensfähiger und vielfältiger werden wir in unseren Eigenschaften) als Rassentrennung, oder eine Ideologie, die glaubt, Vielfältigkeit hätte etwas mit einem Oberflächenmerkmal wie der Hautfarbe zu tun.
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@aussie

Ich glaube nicht, daß "Geburt einer Nation" für die Wiedereinführung der Sklaverei plädiert. Er zeigt nur die andere Seite der Medaille. Das Machtvakuum nach dem Bürgerkrieg, die Bedrohung durch die plötzlich freien Sklaven, denen ein weitgehend zerstörter, traumatisierter weißer Süden gegenüber stand, dessen Männer z.T. gefallen waren oder noch in Gefangenschaft saßen, und denen die politische Betätigung zunächst verboten war, im Gegensatz zu den Schwarzen. Der Schutz brauchte. Dafür wurde der Klan gegründet, nicht für die Lynchmorde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Im übrigen glaube ich nicht, daß Rassismus überholt oder nur eine Ideologie ist. Der Zeitgeist hätte es nur gerne so (wenn auch nur bei uns).
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"Ich glaube nicht, daß "Geburt einer Nation" für die Wiedereinführung der Sklaverei plädiert."

So konkret natürlich nicht, denn dafür ist Griffith zu geschickt. Ein weiteres wichtiges Merkmal amerikanischer Geschichtenerzählung, welches er hier beherrscht. Ich sprach von der Dramaturgie, die zu beobachten ist und daraus könnte man eine derartige Aussage - vor allem damals - leicht als Schlussfolgerung ziehen. Finde ich übrigens nur zusätzlich spannend an dem Film. Ich muss mit einem Künstler nicht einer Meinung sein, um seine Werke zu bewundern und Griffiths persönliche Meinung zu dem Thema interessiert mich auch nicht.

"Er zeigt nur die andere Seite der Medaille. Das Machtvakuum nach dem Bürgerkrieg, die Bedrohung durch die plötzlich freien Sklaven, denen ein weitgehend zerstörter, traumatisierter weißer Süden gegenüber stand, dessen Männer z.T. gefallen waren oder noch in Gefangenschaft saßen, und denen die politische Betätigung zunächst verboten war, im Gegensatz zu den Schwarzen. Der Schutz brauchte. Dafür wurde der Klan gegründet, nicht für die Lynchmorde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts."

Ja, aber diese Angst wird aus heutiger Sicht sehr einseitig, manipulativ und undifferenziert abgebildet.

"Im übrigen glaube ich nicht, daß Rassismus überholt oder nur eine Ideologie ist. Der Zeitgeist hätte es nur gerne so (wenn auch nur bei uns)."

Auch hier muss ich Dir widersprechen. Dem Menschen sind xenophobe Tendenzen angeboren (evolutionäre Schutzmaßnahmen vor Gruppenfremden), die durch Gewohnheit gefördert werden (können). Rassismus ist lediglich die einfachste Form diesen nachzugehen (eben wegen so oberflächlicher Merkmale wie der Hautfarbe). Dies kann aber von Menschen überwunden werden, wie jede Ideologie, die glaubt, die Fakten richtig interpretiert zu haben. Dass sie sich durch die Hintertür immer wieder zurückmelden, oder woanders noch nicht überwunden wurden (wirklich flächendeckend überwunden sind sie sowieso nie, weil wir uns weltweit auf unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstufen befinden), ist noch kein Beweis für ihre Richtigkeit.
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Zitat

Ich muss mit einem Künstler nicht einer Meinung sein, um seine Werke zu bewundern
d'accord

Zitat

Ja, aber diese Angst wird aus heutiger Sicht sehr einseitig, manipulativ und undifferenziert abgebildet.
d'accord. Nichtsdestotrotz gute Gründe für den Klan.

Zitat

Dem Menschen sind xenophobe Tendenzen angeboren
Da reden wir, fürchte ich, aneinander vorbei.

Ich meinte keine Nazis oder anderen Rassenhasser, sondern jene klassische Rassenlehre, die ja lange wohl eine wissenschaftliche Unterdisziplin der Biologie war bis weit in meine Schulzeit im sozialdemokratischen Nordrhein-Westfalen hinein. Und die durchaus von Unterschieden zwischen den Rassen ausging und dem Vermischen ebenfalls weitreichend kritisch gegenüber stand.

Diese Wissenschaft, die lange Fakten behauptete und auch in demokratischen Gesellschaft den Ton vorgab, steht nun seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend in der Kritik. Eine Kritik, die wohl zunächst nicht von Biologen und anderen Wissenschaftlern (hihi), sondern von Politologen, Philosophen und sogenannten Gesellschaftsforschen formuliert wurde. Der 68er-Bewegung, um genau zu sein, deren Repräsentanten nun in unserer gegenwärtigen Gesellschaft den Zeitgeist bestimmen.

Ich persönlich bin in Biologie eher ein Laie. Dennoch glaube ich zu erkennen, daß beim heutigen konstruierten Konsens bezüglich Rassen, ihrer Unterschiede und Konflikte nicht weniger ein gerüttelt Maß an Ideologie mitspielt als damals. Was sich ja auch schnell wieder ändern kann. Das wollte ich mit dem zitierten Satz nur ausdrücken.
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"Ich meinte keine Nazis oder anderen Rassenhasser, sondern jene klassische Rassenlehre, die ja lange wohl eine wissenschaftliche Unterdisziplin der Biologie war bis weit in meine Schulzeit im sozialdemokratischen Nordrhein-Westfalen hinein. Und die durchaus von Unterschieden zwischen den Rassen ausging und dem Vermischen ebenfalls weitreichend kritisch gegenüber stand."

Dabei geht es um Ursache und Wirkung. Die Rassenlehre als Wissenschaft entstammt ihrerseits der ideologischen Annahme, dass bestimmte Menschen anders, eigentlich aber besser sind als andere. Vorrangig hatten natürlich die Europäer ein Distinktionsbedürfnis gegenüber anders aussehenden Menschen. Auch war der Rassenbegriff damals unterschiedlich ausgelegt. Dieses Bedürfnis nach Abgrenzung vor anderen Rassen war sogar so groß, dass man Asiaten eine gelbe Haut andichtete. Aus der Fremdenangst entstand der Rassismus und aus diesem entstanden reziprok eine Ideologie und eine Wissenschaft dazu. Kritik aus der Wissenschaft daran gab es schon im 18. Jahrhundert, aber das interessierte Niemanden, weil es den gesellschaftlichen Konsens störte. Du lieferst mehr ein Beispiel für überholte Strukturen, die sich veränderungsresistent gezeigt haben. Außerdem haben Informationen, die in der Schule gelehrt werden oder der Wissenstand der Gesellschaft nichts mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun. Dass Ideologien eine Rolle spielen, wohin die Wissenschaft geht, da bin ich völlig Deiner Meinung. Aber heutige Untersuchungen (also seit den 70ern) aus dem Bereich der Molekularbiologie, die belegen, dass der genetische Unterschied zwischen Menschen verschiedener Hautfarben zu gering ist, um überhaupt von Rassen reden zu können, lassen sich nicht mit den heuristischen Annahmen der Schädelforschung des 19. Jahrhunderts vergleichen.
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Was Außenseiter sagt. Die genetische Varianz innerhalb einer "Rasse" ist größer als diejenige zwischen "Rassen". Ein Genetiker hat das schön zusammengefaßt: Wenn heutzutage alle Menschen bis auf ein versprengtes Dorf im Amazonas ausgelöscht würde, wären immer noch 98% des menschlichen Genoms erhalten.

Ich weiß auch nicht, warum Du, hoolio, zwischen echten und unechten Wissenschaftlern unterscheidest. Ich wünschte, mehr Wissenschaftler wären sich der gesellschaftlichen Bedingtheit ihrer Forschung bewußt. Lies Kuhn's The Structure of Scientific Revolutions dazu. Wissenschaftler arbeiten unter bestimmten Paradigmen, für die sie blind sind, weil jene Paradigmen wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Konsens sind. Widersprechende Fakten werden ignoriert. Besonders Naturwissenschaftler sind dafür anfällig, weil sie ja "harte" Fakten messen. Und dabei vergessen, was sie zum einen nicht messen und zum anderen, wie sehr sie schon diese Fakten in der Konzeption des folgenden Experiments interpretieren.
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Fällt mir auch gerade auf. Politologen, Gesellschaftsforscher und vor allem Philosophen (Philosophie, die Mutter aller Wissenschaften) sind doch ebenfalls Wissenschaftler.
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Zitat

Ich weiß auch nicht, warum Du, hoolio, zwischen echten und unechten Wissenschaftlern unterscheidest.
Um euch zu foppen. Deshalb schreib ich ja ein (hihi) dahinter.

Zitat

Widersprechende Fakten werden ignoriert.
Das klingt aber nicht sehr wissenschaftlich. Gibt's da ein aktuelles Beispiel?

Zitat

Die genetische Varianz innerhalb einer "Rasse" ist größer als diejenige zwischen "Rassen".
Dann lassen wir die Rassen mal beiseite. Obwohl der bis heute anhaltende Konflikt aus "Birth of a Nation" dann schwer definierbar wird. Aber wer definiert sich schon übers Genom? Wir haben wahrscheinlich auch mit Eichhörnchen genetisch viel gemein.

Als erstes definierst du dich doch übers Aussehen. Klar mag das primitiv sein, oder als xenophober Reflex angeboren sein, wie Aussie es nennt. Aber vielleicht gibt's ja auch gute Gründe, daß es so ist. Die Natur an sich ist ja nicht doof. ; )

Im weiteren definieren sich die meisten Leute ja wohl über ihre in Jahrhunderten gewachsene Kultur, ihre Traditionen, ihre Gesellschaft, ihre Religion und Nation. Das wir alle Menschen sind, weiß jeder. Das bedeutet aber doch nicht, daß wir alle ein Brei werden wollen. Vielleicht möchten manche von uns diese Unterschiede, Kulturen, Traditionen ja behalten. Sind die dann Rassisten?
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Ganz mal abseits der Rassen Diskussion erinnert mich dieser moralisch, ethische Kritikpunkt eines Filmwerks sehr an eine Riefenstahl Diskussion, die ich vor einigen Jahren mal mit jemandem geführt habe, der mich glaub ich am liebsten erwürgt hätte .
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"Als erstes definierst du dich doch übers Aussehen. Klar mag das primitiv sein, oder als xenophober Reflex angeboren sein, wie Aussie es nennt. Aber vielleicht gibt's ja auch gute Gründe, daß es so ist. Die Natur an sich ist ja nicht doof. ; )"

Dass wir in geschlossenen Gruppen schnell zu einem In-Group/Out-Group-Denken neigen, hat nichts mit Rassismus zu tun. Dies ist vor allem ein kindliches Verhalten Gruppenfremden zu misstrauen, damit die Brut überlebt. Je näher uns in Aussehen und Gebräuchen jemand ist, umso schneller vertrauen wir ihm. Dies stammt noch aus einer Zeit, als Menschen in kleinen Gruppen zusammenlebten und lässt sich nicht mehr auf unsere Wirklichkeit anwenden. Das nennt man auch den naturalistischen Trugschluss. Was vor 100.000 Jahren nützlich war und sich evolutionär einbrennen konnte, bringt in einer sich schnell verändernden Kultur von Menschen erschaffen nicht mehr notwendigerweise einen Vorteil. ADHS-Kinder wären in früheren Zeiten ideale Anwärter auf den Alpha-Männchen-Rang gewesen. In einer zivilen Gesellschaft gelten sie nur als verhaltensauffällig.

"Im weiteren definieren sich die meisten Leute ja wohl über ihre in Jahrhunderten gewachsene Kultur, ihre Traditionen, ihre Gesellschaft, ihre Religion und Nation. Das wir alle Menschen sind, weiß jeder. Das bedeutet aber doch nicht, daß wir alle ein Brei werden wollen. Vielleicht möchten manche von uns diese Unterschiede, Kulturen, Traditionen ja behalten. Sind die dann Rassisten?"

Nein, weil das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Genauso wenig, wie es ein Gesetz geben soll, dass Menschen unterschiedlicher Hautfarben verbietet Kinder miteinander haben zu wollen, sollte es auch kein Gesetz geben, welches sie verpflichtet, dies tun zu müssen. Davon redet hier auch niemand. Auch hat das Festhalten an Traditionen und der eigenen Kultur nichts mit Rassismus zu tun. Rassismus sorgt höchstens dafür, dass eine Kultur die andere zerstören will, weil sie glauben, sie hätten es mehr verdient zu existieren. Ebenfalls nur wieder eine ideologische Annahme, gespeist aus dem Unvermögen, seine Intelligenz zu nutzen und sich lieber auf einen atavistischen Affektimpuls zu verlassen, um den herum ein ganzes ideologisches/wissenschaftliches Konstrukt gebastelt wird.
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@ShortCut
Ganz mal abseits der Rassen Diskussion erinnert mich dieser moralisch, ethische Kritikpunkt eines Filmwerks sehr an eine Riefenstahl Diskussion, die ich vor einigen Jahren mal mit jemandem geführt habe, der mich glaub ich am liebsten erwürgt hätte.

Inwiefern? Ich frage, weil die meisten dieser Diskussionen eher fruchtlos bleiben (und bei euch wohl auch, wenn Dein Gesprächspartner so erzürnt war). Hier kann ich nichts davon erkennen, da hoolio einen wichtigen, häufig unterschlagenen Punkt zum Film benannt hat, aus dem sich überhaupt erst diese interessante Diskussion entwickeln konnte.
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Weil ich ihre Werke als filmische Höhepunkte gelobt habe und er das ideologisch für absolut nicht goutierbar hielt. Hatte versucht Deinen Standpunkt, ein Werk losgelößt von ethischem und ideologischen, zu bewerten und bin da vollkommen auf Granit gestoßen. Habe schon seine Faust in meinem Gesicht gesehen.
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Die Ironie daran ist, dass er selbst zu einem Opfer von Intoleranz gegenüber einer erweiternden Sichtweise wird und sogar noch bereit wäre, seine verengte Ansicht dem anderen einzuprügeln (im Glauben die eigentlich progressive Ansicht zu vertreten).
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hoolio21 sagte am 28. März 2013, 19:54:

Das klingt aber nicht sehr wissenschaftlich.

Ist es aber. Du mußt bei Deiner Theoriebildung bestimmte Fakten ein- und andere Fakten ausschließen. Das ist jedem Modell inhärent und nicht per se unwissenschaftlich. Schwierig wird es nur, wenn die Modelle ungewöhnlich komplex werden, um die Voraussetzung nicht zu verletzen. Klassisches Beispiel ist die kreisförmige Planetenbahn. Eine Annahme, die dazu führte, daß man versuchte, die reale Planetenbewegung mit Epizyklen (Kreise, die sich um andere Kreise bewegen) zu erklären. Am Ende war das Modell mit Epizyklen vierten und fünften Grades hochkomplex, weil die Voraussetzung nicht stimmte - die elliptische Bahn ist eine viel bessere, einfachere (und mathematisch gar nicht mal so andersartige) Beschreibung der Realität.

Aus dem Primat der Paradigmen erklärt sich auch, daß wissenschaftliche Durchbrüche häufig von Nicht-Fachleuten gemacht werden. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Entdeckung der Bildung von Nervenzellen im Erwachsenenalter. Man nahm lange Zeit an, daß nach der frühkindlichen Phase keine neuen Nervenzellen mehr gebildet werden. Das klingt extrem unwahrscheinlich, wenn man die Regenerationsfähigkeit nach Hirnverletzungen bedenkt. Aber da es das Paradigma war, hat auch keiner der Neuroforscher nachgeschaut, ob tatsächlich keine neuen Nervenzellen gebildet werden. Es mußte erst eine Gruppe kommen, die Metastasen von Prostatatumoren untersucht hat - ein Tumor der häufig ins Gehirn einwandert. Und auf der Suche nach neu gebildeten Zellen, fanden sie, daß nicht nur Tumorzellen, sondern auch Neurone neu gebildet wurden und sich geteilt hatten. Ein Durchbruch, der heute scharenweise Stammzellforscher Lohn und Brot beschert.
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Short Cut sagte am 28. März 2013, 19:57:

Ganz mal abseits der Rassen Diskussion erinnert mich dieser moralisch, ethische Kritikpunkt eines Filmwerks sehr an eine Riefenstahl Diskussion, die ich vor einigen Jahren mal mit jemandem geführt habe, der mich glaub ich am liebsten erwürgt hätte ..

Das funktioniert aber imho in beide Richtungen. Weil etliche Leute von der technischen Finesse einesTriumph des Willens so fasziniert sind, merken sie gar nicht, was für ein hirnerweichendes und dröges Rumgestampfe der Film doch ist.
  • Melden

Zitat

Weil etliche Leute von der technischen Finesse einesTriumph des Willens so fasziniert sind, merken sie gar nicht, was für ein hirnerweichendes und dröges Rumgestampfe der Film doch ist.
Das, darf man natürlich nicht außer acht lassen ;)
  • Melden

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