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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen




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Frau ohne Gewissen



Der Versicherungsagent Walter Neff verfällt der attraktiven, aber eiskalten und berechnenden Phyllis Dietrichson und heckt zusammen mit ihr einen raffinierten Plan aus, um ihren Mann zu ermorden und die Versicherungssumme aus einer Unfallversicherung zu kassieren - das ganze soll nach einem tödlichen Sturz aus einem Zug aussehen, weil es für den die doppelte Summe gibt; daher auch der (deutlich bessere) Originaltitel Double Indemnity.
Billy Wilders Beitrag zum Film Noir gehört zu den Höhepunkten der Gattung. Dadurch, daß Wilder (ähnlich wie später in Sunset Boulevard) die Geschichte retrospektiv erzählt und den Film damit beginnen läßt, daß der angeschossene Neff sich in das Büro seines väterlichen Freundes Barton Keyes (Edward G. Robinson, im Kino jener Tage sonst der Gangsterboß vom Dienst, in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle) schleppt, um ein Geständnis in ein Diktaphon zu sprechen, nimmt der Film einen resignativen, pessimistischen Grundton an. Double Indemnity gehört auch in visueller Hinsicht zu den Höhepunkten in Wilders Werk: die Schwarzweißfotografie und die Lichtsetzung sind meisterhaft und tragen wesentlich zur atmosphärischen Dichte des Films, der eine kalte, von Habgier und Egoismus beherrschte Welt vorführt, bei. Wobei es aber auch in diesem Film kleine Momente, die von menschlicher Wärme künden, gibt, so etwa Keyes' freundschaftliche Geste am Ende - auch das ist typisch für Wilder, der selbst in seinen kältesten und zynischsten Filmen immer noch, und wenn es noch so kurz ist, Anflüge von Menschlichkeit aufscheinen läßt, und das halte ich für sehr wichtig, weil diese Filme gerade dadurch glaubwürdig werden. Natürlich ist der Film auch hervorragend gespielt: Barbary Stanwyck ist perfekt in ihrer Rolle, wie auch Fred MacMurray und eben Robinson.
Interessant zu erwähnen ist dabei, von welchen Schwierigkeiten besonders die Arbeit am Drehbuch begleitet war: Wilders damals üblicher Partner Charles Brackett fand das Sujet zu anrüchig, weshalb Wilder sich nach jemand anderem umschauen mußte, doch James M. Cain, der Verfasser des zugrundeliegenden Romans, war anderweitig verpflichtet, also tat sich Wilder mit Raymond Chandler zusammen. "Es war Haß auf den ersten Blick", beschrieb Wilder diese Zusammenarbeit, und Chandler meinte seinerseits, die Arbeit mit Wilder habe sein Leben verkürzt. Chandler brachte es sogar fertig, eine mehrseitige Beschwerdeschrift zu verfassen, in der stand, was Wilder fortan gefälligst unterlassen solle, so z.B.: "Mr. Wilder hat unter keinen Umständen mit seinem dünnen, am Handgriff mit Leder überzogenen Malakka-Spazierstock unter Mr. Chandlers Nase herumzufuchteln oder damit auf ihn zu deuten, wie er es während der Arbeit zu tun pflegt." (Nachzulesen in Hellmuth Karaseks Buch "Billy Wilder. Eine Nahaufnahme") Doch trotz ihrer gegenseitigen Antipathie gelang Wilder und Chandler eines der besten Drehbücher gerade auch des Film Noir.
James M. Cain war vom fertigen Film übrigens begeistert und lobte den Film als Verbesserung seines Romans, und auch ein prominenter Kollege war beeindruckt: "Seit Double Indemnity sind die beiden wichtigsten Wörter im Kino Billy Wilder", telegrafierte Alfred Hitchcock, was besonders erwähnenswert ist, weil Hitchcock sich normalerweise kaum über die Arbeiten seiner Kollegen äußerte, und positiv schon gar nicht.




Eine wunderbare Besprechung, die jeden, der ihn noch nicht kennt, zum Klassiker mit der femme fatale Barbara Stanwyck hinziehen müsste. Kompliment! - Ich lese deine FTB-Einträge mit Vergnügen und Gewinn. :) Hätte ich mir nicht schon den besten Co-Admin aller Zeiten geangelt, die Versuchung läge nahe, dich bekay und den "filmforen" abspenstig zu machen.
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Oh, vielen Dank - ich erröte bei so viel Lob...
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