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Short Cuts





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3x Bergman



Dies ist der Beginn einer neuen Filmreihe, die chronologisch durch das Werk des schwedischen Ausnahmeregisseurs Ingmar Bergman führt. Bis wohin, die Reihe gehen wird, ist noch nicht ganz sicher. Auf jeden Fall werden wir bis weit in die 60er Jahre kommen. Da das ganze eine Idee eines Freundes war, werden wir auch seine Sammlung nutzen, die aber so ziemlich alles beinhaltet, was es auf dem deutschen Markt gibt.

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Törst (Durst)


"Durst" ist eindeutig ein Frühwerk von Ingmar Bergmans und doch sieht man hier schon ziemlich genau die Handschridt des Meisters.

Bergman erzählt hier von einem Ehepaar, das nach ihrem Urlaub von Genf wieder zurück nach Schweden per Zug unterwegs ist. Dabei führt sie der Zug auch durch das Trümmerfeld Deutschland. Deren Ehe ist geprägt von Ruts (Eva Henning) hysterischen Anfällen und ihrer Schlaflosigkeit. Während der Fahrt führt uns der Film in Ruts und Bertils (Birger Malmsten) Vergangenheit.
Rut hatte eine Affäre zu einem verheirateten Offizier, wurde schwanger und ließ abtreiben. Folgende körperliche und seelische Probleme schadeten daraufhin ihrer Karriere als Tänzerin.
Bertil hatte eine Beziehung zu einer Witwe, die ebenso wie Rut seelische Probleme hatte. Diese Witwe flieht vor einem unmenschlichen Psychater, begegnet Ruts Freundin Valborg (Mimi Nelson), die ihr homoerotische Avancen macht und begeht Selbstmord. Derweil eskalieren im Abteil die Spannungen zwischen Rut und Bertil.

Ziemlich harter Tobak für einen Film aus dem Jahre 1949.
Dieser wurde erst 1953 in der BRD aufgeführt, da er zuvor von der Prüfstelle verboten wurde.

Vorwegnehemen kann man jedenfalls eins und zwar, dass Bergman in der Auswahl seiner Themen und vor allem wie er diese dann auf die Leinwand brachte, der Zeit um Meilen voraus war.

Leider ist "Durst" nicht wirklich gut geglückt. Vieles in diesem Frühwerk ist zwar schon da aber noch nicht ganz ausgereift und vollendet. Die Schauspieler überzeugen nicht immer, der Szenenablauf wirkt teils recht konfus und zum Ende hin wirkt der Film verhackstückt. Wofür Bergman mit Sicherheit auch nicht viel konnte, denn das Ende wirkt wie drangeklebt bzw. nachgedreht. Man weiß es nicht.

Aber :
Es ist eben vieles schon da.
Die Themen :
Geschlechterkampf, Diskrepanz zwischen Mann und Frau, die seelische Zerstörung, das Leid und ja selbst der grausame Psychater ist hier in einer etwas holzschnittartigen Fassung enthalten.

Was die Bilder angeht so haben wir hier "Gunnar Fischer", der bei fast allen Bergman Filmen bis 1960 die Kamera geführt hat.
Vereinzelt gibt es hier auch schon wunderbare expressive Bilder und Szenen zu sehen, die sehr vom Schattenspiel geprägt sind.
Diese, sicherlich vom deutschen Expressionismus, Weimarer Kino geprägten Bilder, werden uns noch häufiger begegnen.

Auch in seinem nächsten Film, der sein erster großer, finanzieller Erfolg war.

7/10


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Kvinnors väntan (Die Sehnsucht der Frauen)


In einem Sommerhaus in Schweden warten 4 Frauen auf die Ankunft ihrer Männer. Alle sind sie mit Männern der wohlhabenen Familie Lobelius verheiratet. Die Frauen erzählen sich von ihren Erfahrungen mit diesen.

Der Film schildert nun in 3 Episoden die Nähe und Intimität zu ihren Männern. Vor allem die tiefe unerfüllte Sehnsucht dieser Frauen.

1. Episode :
Rakel (Anita Björk) schildert eine Begebenheit vom vorigen Jahr als sie ihren Mann mit ihrem Jugendfreund betrogen hat. Sie gesteht ihm den Seitensprung, dieser will die sofortige Scheidung, verliert die Fassung und droht damit sich umzubringen. Sein Bruder kann ihn wieder zur Vernunft bringen. Rakel bleibt mit ihrem Mann zusammen, weil sie in ihm das hilfsbedürftige Kind erkennt, was er in ihren Augen ist.
2. Episode :
Marta (Maj-Britt Nilsson) erzählt wie sie den jungen Maler Martin (Birger Malmsten) in Paris kennenlernt. Nachdem sie erfährt dass sie schwanger ist, stirbt sein Vater. Er kehrt nach Schweden zurück, da er finanziell von dem Geld der Familie abhängig ist. Sie beschließt das Kind allein zu bekommen und wehrt all seine Kontakte zu ihr ab. Letztendlich gibt sie nach und heiratet ihn.
3. Episode :
Karin (Eva Dahlbeck) und ihr Mann Fredrik (Gunnar Björnstrand) bleiben nach einem Galaabend im Fahrstuhl stecken. In der Enge des Raumes kommen sie sich näher, sprechen sich erstmalig aus und schlafen miteinander. Am nächsten Tag, befreit, ist alles wieder beim alten, indem Fredrik wieder geschäftlichen Verpflichtungen nachgeht und seine Frau weitestgehend ignoriert.

Am Ende des Films trifft das Boot mit den Ehemännern ein. Maj, die junge Schwester Martas (Gerd Andersson ist übrigens die Schwester der berühmten Bibi Andersson), plant mit ihrem Freund davonzulaufen. Marta läßt sie gehen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen sammeln kann. Wohlwissend, das diese auch schmerzlich sein werden.

"Die Sehnsucht der Frauen" ist schon in jedweder Hinsicht formvollendet und zeigt Bergman als das wofür er auch in die Filmgeschichte einging : als "Frauenregisseur".

Gleich zu Anfang werden wir in eine typische Bergman-Szenerie gestoßen, wie nur er es filmen kann. Ein Paar sitzt sich gegenüber und sagt sich was sie denken. Dabei passiert nichts und doch hat das was gesagt wird eine unbarmherzige Tiefe, die vor allem für die damalige Zeit, Sprengstoff gewesen sein muß. Ohne irgendwelche dramaturgischen und inszenatorischen Kniffe wird hier ganz deutlich, offen und schlicht, schwarz auf weiß, das ausgesprochen was wir alle denken und was uns letztendlich zu Menschen macht.
Dabei legt er diese innersten Sehnsüchte und Wünsche oft Frauen in den Mund. Was sonst unausgesprochen akzeptiert wurde, wird hier in einer gleichberechtigten und emanzipierten Frauenrolle offen ausgesprochen. Und so haben in diesem Film auch definitiv die Frauen die Hosen an.
Die Männer werden entweder zu hilfebedürftigen Kindern, schwachen Abhängigen, eitlen Popanzen, die ihre Frau als Prestigeobjekt ansehen.

In der ersten Episode ist die frigide Frau, die Sehnsucht nach sexueller Befriedigung verspürt. Sie spricht darüber auch mit ihrer Affäre im Badehaus. Als sie reinen Tisch macht, ist ihr Mann vollkommen überfordert und dreht durch. Ihre Befriedigung erhält sie dadurch, dass sie begreift, dass ihr Mann abhängig von ihr ist und sie braucht.
In der zweiten gibt es eine tragende Fallhöhe, denn wir erleben zuerst eine wunderbare Liebe in Paris um später dann den romantischen Liebhaber als schwaches, abhängiges, schwarzes Schaf der Familie kennenzulernen. Sie emanzipiert sich von ihm, da sie in ihrer Beziehung kein Anhängsel sein möchte, weiß aber auch, dass er sie braucht.
Die dritte Episode ist das in die Jahre gekommene Ehepaar, welches sich die Wahrheit sagt. Im Grunde, die gleiche Situation wie in der ersten, nur das hier gelacht werden darf.
Hier erweist sich Bergman als Komödiant, indem er die Episode mit komischen Dialogszenen ausstattet, die es faustdick hinter den Ohren haben. Eva Dahlbeck macht sich hier über ihren eitlen Gatten permanent lustig und ist die gestandene Frau, die ihrem Mann ein Affären Geständnis entlockt. Dies führt hier aber keineswegs zum Drama, da sie weiß was sie an ihrem Lebensstandard hat und das ihr Mann natürlich auch abhängig von ihr ist.
Hier liegt es ganz klar auf der Hand, wer in dieser Beziehung die Hosen anhat.

"Die Sehnsucht der Frauen" wird bestimmt nicht mein Lieblingsbergman werden, als wichtiges, vollgültiges Werk ist er aber unbedingt zu nennen.
Am Ende machen sich zwei junge Leute auf die Reise um aus dieser Gesellschaft auszubrechen.
Mit diesem Wink sind wir dann auch schon beim nächsten Film.

8/10


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Sommaren med Monika (Die Zeit mit Monika)


Der 19jährige Harry (Lars Ekborg) und die 17jährige Monika (Harriet Andersson) leben und schuften als Lohnarbeiter in Stockholm.
Als sie sich kennenlernen, sieht Monika einen Ausweg aus dieser Welt zu fliehen. Die frisch verliebten nehmen das Boot von Harrys Vater und verbringen damit den Sommer in den idyllischen Schären. Der Sommer ist fast vorüber als Monika feststellt, dass sie schwanger ist. Zudem gehen ihnen langsam die Vorräte aus. Zurück in der Stadt müssen sie heiraten, dafür sorgt Harrys Tante. Während Harry gewillt ist für die Familie zu arbeiten und sie zu versorgen, träumt Monika weiter von ihrem sorglosen Leben. Sie geht fremd und läßt ihren Mann mit dem Kind allein.

Mit "Die Zeit mit Monika" haben wir den ersten Film Bergmans, der weltweit Furrore machte, insbesondere in Frankreich. Es liegt auf der Hand was ein junger "Francois Truffaut" so sehr an diesem Film begeistert hat, nimmt er doch schon viel vorweg, was mit der bald folgenden "Nouvelle Vague" so alles kommen sollte. Revolutionär ist vor allem hier die Szene in der Bergman, seine Harriet in einem extremen Close Up, direkt in die Kamera blicken und alles herum um sie verschwinden läßt. Auch das Zeigen von "nackter Haut" ist so bislang noch nicht eingefangen worden.

Was ist es was diesen Film immer noch, damals und heute, so frisch macht ?

Es ist einmal die unglaubliche Vitalität der 2 Hauptdarsteller. Voran, natürlich, "Harriet Andersson", die auch zu einer DER Bergman Schauspielerinnen wurde.
Nicht besonders hübsch, ist es die Art und Weise, wie Bergman und Fischer ihre Ausstrahlung, ihr Gesicht in unglaublich tollen Close Ups zeigen.
Überhaupt ist der Sommertraum in den Schären in wunderbaren Aufnahmen eingefangen, die sowohl an "italienischen Neorealismus" als auch an "Kurosawa" erinnern. Die Natur wird zum Spiegel der Seele.
Im Kontrast dazu wird die Stadt in Gunnar Fischer typischen, expressiven Bildern, als gefährlicher, lebensverachtender Moloch gezeigt. Exemplarisch hierfür, die Rückkehr aus den Schären, in die Stadt. Die Bedrohlichkeit wird verstärkt durch verzerrten Lärm.
Zurück in der Realität.
Diese Ausreißer Phantasie, das Ausbrechen aus der Gesellschaft, nimmt vieles von dem Freiheitsgefühl der 60er Jahre vorweg.

"Die Zeit mit Monika" ist aber auch ein Sozialdrama, welches der Zeit weit voraus war.

Der Film beginnt im proletarischen Realismus. Der Schären-Sommer ist als Traum inszeniert. Hier erleben sie paradiesische Freiheit. Dieser Traum endet weil ihnen die lebensnotwendigen Sachen ausgehen und sie werden zurückgeworfen in die Realität. Während Harry das kleinbürgerliche Leben vom Arbeiter, der aus seinen Verhältnissen rauskommen will, träumt, ist Monikas Ausbruchsgefühl viel stärker. Sie sieht am Ende gar keine Möglichkeit ihren Traum weiterzuträumen und sucht weiter ihr Vergnügen.
Am Ende sind es die eigentlich gedachten, bürgerlichen Verhältnisse, die auf den Kopf gestellt werden.
Es ist die Frau, die weg ist und der Mann, der das Kind in den Armen hält. Das von Seiten, der Erwachsenen, geschaffene Modell, greift nicht mehr und bricht auseinander.
Monika und Harry passen in das Schema von Anfang an nicht mehr hinein.
Besonders Monika versucht ihre Vorstellung, ihren Traum zu leben, dabei verhält sie sich grausam. Die Leinwand, das Kino wird ihr dabei zum trügerischen Ideal. Von Beginn an erträumt sie sich ein Leben wie im Kino und projeziert dies auf Harry. Macht ihn somit zu ihrem Hollywoodprinzen. Da darf der "Filmkuss" auf der Parkbank, ganz wie im Kino, nicht fehlen.

Bergmans Monika wird in allen Facetten ohne damalige Klischeebilder dargestellt. Sie ist ein ganz normales Durchschnittsmädchen. Ihr Lebensgefühl und die Art wie wie komplex Bergman dies zeigt, machen "Die Zeit mit Monika" in der Tat zu etwas besonderem.

10/10

Ingmar Bergman Gunnar Fischer Eva Dahlbeck Harriet Andersson expressiv Frühwerk Geschlechter Rollentausch Emanzipation Realismus Close Up Gesellschaft Innenleben Episodenfilm Perspektive



Die Bergman-Reihe ist eine tolle Idee. Die drei besprochenen Filme kenne ich übrigens alle noch nicht.
Ansonsten hoffe ich doch, daß die Reihe nicht in den 60ern steckenbleiben wird, da es doch auch später noch so großartige Filme gibt; "Schreie und Flüstern" und "Fanny und Alexander" seien hier exemplarisch genannt.
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Stecken wird sie auf keinen Fall bleiben. Nur evtl. zweigeteilt. Da es schon immens viel Output ist.
Haben wir damals bei Wilder auch so gemacht.
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