Zum Inhalt wechseln


"All is full of Love..."

bekays Filmtagebuch




Foto

Anders als die Anderen...



Auch ohne den von SIXTH SENSE inspirierten Plot-Twist ist THE OTHERS eine mustergültige Abhandlung über das Gespenstische. Der Witz am Ende ist jedoch, dass das Gespenstische vom Gespenst abgelöst wird. Denn hier sind es, was wir den Film über ja nicht wissen, die Gespenster selbst, die heimgesucht werden vom Anderen. Wer die "Others" sind, ist somit eine reine Frage der Perspektivierung. Somit lässt sich wohl behaupten, dass Grusel-Filme im Allgemeinen - also jene, die auf das Gespenstische setzen - sich bestimmter und extremer Perspektivierungen bedienen. Jacques Derrida beschreibt deshalb auch als wichtigstes Kennzeichen der Gespenster den Visier-Effekt: "Wir sehen nicht, wer uns erblickt." Kürzer lässt es sich nicht zusammenfassen.

Ein ganz großartiger Film jedenfalls, streng und schnörkellos inszeniert!




In einer Episode von "What's up, Dad?" fühlt sich Michael Kyle von seinem Nachbarn verfolgt. Der Nachbar wiederum fühlt sich von Michael Kyle verfolgt. In Wahrheit hat aber niemand niemanden verfolgt, sondern bloß ängstlich das angeblich stalkende Verhalten des jeweils Anderen beobachtet, was dann irgendwann zum Selbstläufer wurde. Ironie.

Der Vergleich hinkt natürlich gewaltig. Aber auch in "The Others" geht es darum, dass man sein Umfeld und die eigene Rolle darin falsch und einseitig wahrnehmen kann.

Na ja, außer dass die eigene Perspektive immer eine reduzierte ist und außer dass die Wahl der Perspektive eines Films maßgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Zuschauers hat und dass Horrorfilme gerne aus der Sicht der vermeidlichen Opfer gehalten sind, sagt "The Others" ja nüscht aus.

Und das Spiel mit der Sichtweise ist in "The Others" doch bloß ein Taschenspielertrick, der am Ende einen "Aha"-Effekt beim Zuschauer auslösen soll.

Aber dieser Taschenspieler-Trick erzählt herzlich wenig über Manipulation und Realitäts-Verzerrung durch die Wahl einer Perspektive. Schließlich ist das nur ein harmloser Spaß, der hier mit dem Zuschauer betrieben wird.

Über die verzerrende Wirkung von individuellen Perspektive sagt meines Erachtens eher "Ajami" etwas aus.

"Ajami" ist ein Film, in dem das Erzählen von Sachverhalten aus verschiedenen Sichtweisen nach und nach eine ganz neue Wahrheit zum Vorschein treten lässt.

Dies bedeutet auch nach und nach einen Erkenntnisgewinn für den Zuschauer. Nämlich, dass die Perspektive des Erzählten (egal ob in Film, in Nachrichtenmedien oder im persönlichen Umfeld) einen großen Einfluss darauf hat, wie man das aufnimmt, was einem erzählt wird, und dass das nur ein verzerrtes Bild ist.

Im Vergleich dazu ist das, was "The Others" über die Scheuklappen-Wirkung der einseitigen Sicht erzählt doch echt Kinderkacke, finde ich.
  • Melden
Da AJAMI m.E.n. kein Grusel-Film ist oder einer, in dem es um Gespenster oder allgemeiner um das Gespenstische geht, ist dein Einwand ehrlich gesagt vollkommen unberechtigt. Mir ging es um etwas vollkommen anderes als die Dialektik zwischen Wahrheit und Perspektive. Es ging mir darum, wie Grusel-Filme ihre Figuren aufstellen, wenn es zur Heimsuchung kommt. In dieser Hinsicht ist das Ende weder Taschenspielertrick noch Kinderkacke, sondern selbstreflexiver Genre-Kommentar, der einem deutlich mitteilt, dass das Gespenstische nicht vom herkömmlichen Gespenst ausgelöst wird, also vom Toten, der halb sichtbar noch in der Welt der Lebenden weilt. Es kann auch von den Lebenden kommen, die halb sichtbar in der Welt der Toten weilen. Demzufolge habe ich nur den beachtlichen Abstraktionsschritt des Films nach- und mitvollzogen, der ja schon im Titel beginnt: Der Grusel ist etwas, das sich vom Anderen her speist. Von etwas Fremden also, dessen Präsenz nicht vollkommen sicher ist. ("Wir sehen nicht, wer uns erblickt.")
  • Melden
Ich habe Dich schon am Anfang völlig korrekt verstanden. Nur wollte ich mich nicht darauf beschränken, was der Film über die Beschaffenheit von Gruselfilmen aussagen könnte, weil ich das nicht sonderlich relevant finde.

Also habe ich mir überlegt, was "The Others" ganz allgemein betrachtet über die Korrelation von Erzählperspektive und Wahrnehmung aussagen könnte.
Ergo: Ich nahm Deine Sichtweise des Films als Anlass, hier zwei weitere Sichtweisen anzubieten, die "The Others" ebenfalls problemlos zulässt.

Denn natürlich kann man "The Others" interpretieren als Geschichte darüber wie man als Individuum sein Umfeld und die eigene Rolle darin falsch und einseitig wahrnehmen kann. Nichts anderes tun ja die Figuren des Films.

Oder man kann den Film einfach lesen als kleine Abhandlung darüber, dass die Wahl der Perspektive eines Films maßgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Zuschauers hat.

Oder einfach als Mahnung, dass die Kommunikation von Sachverhalten aus bestimmten Perspektiven ein verzerrtes Bild dieser Sachverhalte abbilden.

Dies habe ich dann reflektiert, mit anderen Filmen verglichen und bin zum Schluss gekommen, dass "The Others" mir nichts Relevantes darüber zu erzählen hat.

Du hingegen erfreust (?) Dich daran, dass "The Others" die Anordnung innerhalb eines Gruselfilms reflektiert. Das ist natürlich Dein gutes Recht.

Aber das ist ja irgendwie klar, und ich erzähle nebenbei bemerkt seit Jahren, dass gute Gruselfilme ihren Schrecken vornehmlich aus dem Unbekannten, aus dem nicht eindeutig Identifizierbaren schöpfen. Die Perspektive der Geschehnisse muss die der vermeidlichen Opfer/Heimgesuchten sein, und auf der anderen Seite muss etwas Mysteriöses vorhanden sein, dass man nicht komplett fassen oder erklären kann und vor dem man folglich Angst hat.

Außerdem schrieb ich noch, dass ich die Auflösung für einen Taschenspieler-Trick halte. Dabei bleibe ich auch, denn das Ende ist ja eindeutig darauf aufgelegt, beim Zuschauer einen "Aha"-Effekt auszulösen und sagt bestenfalls noch aus, dass man in Horrorfilmen vor dem Unbekannten Angst hat; egal, als was es sich letztendlich raus stellt.

Mein Punkt war einfach: Egal wie man "The Others" interpretieren will, kommt da meines Erachtens nicht fürchterlich Bereicherndes bei raus.


Das soll übrigens nicht heißen, dass ich den Film schlecht fand. War elegant und atmosphärisch stimmig. Aber halt kein Film, den ich als sonderlich relevant bezeichnen würde. Und auch kein Film, den ich unbedingt ein zweites Mal sehen möchte.

So, jetzt haben wir uns gegenseitig unsere Beiträge in diesem Thread erklärt und stehen wieder am Anfang. So ist das halt manchmal.
  • Melden

scarlett_fan123 sagte am 04. Mai 2010, 17:36:

Außerdem schrieb ich noch, dass ich die Auflösung für einen Taschenspieler-Trick halte. Dabei bleibe ich auch, denn das Ende ist ja eindeutig darauf aufgelegt, beim Zuschauer einen "Aha"-Effekt auszulösen und sagt bestenfalls noch aus, dass man in Horrorfilmen vor dem Unbekannten Angst hat; egal, als was es sich letztendlich raus stellt.
Wieso bestenfalls? Wieso sollte das eine - der Plot-Twist als ebensolcher - wichtiger als das andere - der Subext des Plot-Twists - sein. Dass der Film sich so präzise zu seinem Genre äußert, also fast bewusst einen reflexiven Diskurs über diesen anstimmt, erfeut mich sehr und ist für mich der Kern des Films.

scarlett_fan123 sagte am 04. Mai 2010, 17:36:

Mein Punkt war einfach: Egal wie man "The Others" interpretieren will, kommt da meines Erachtens nicht fürchterlich Bereicherndes bei raus.
Ich wollte ihn auch nicht interpretieren, ich wollte nur den Kern herausstellen, der den Film in einer Reihe von Filmen interessant macht, die ich für meine Magister-Arbeit untersuchen will. Er gehört also zu einer Art mustergültigen Paradigma, eine Reihe von Filmen, die einem ähnlichen abstrakten Schema folgen. Ansonsten stimme ich dir nicht bei: Die Interpretation eines jeden kulturellen Artefakts ist bereicherend, denn niemals verliert man etwas, immer gewinnt man Erkenntnisse über Strukturen und Aufbauweisen oder Unterschiede zwischen ihnen.
  • Melden
Ich habe mich hier im Thread mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, die der Plot Twist theoretisch zulässt, ja nun beschäftigt und diese ausgiebig reflektiert. Deshalb steht es mir selbstverständlich zu, das alles nicht relevant und nicht bereichernd zu finden. Ist doch klar.

Und gerade weil ich zu dem Ergebnis komme, dass "The Others" mit seinem Dreher am Ende keine bereichernde Sicht auf was auch immer eröffnet, komme ich nicht drum herum, die eigentliche Funktion dieses Twists in einem Erstaunen des Publikums zu sehen: Der Dreher soll ein "Aha"Erlebnis auslösen.

Denn was wird mir hier kommuniziert über Manipulation der Wahrnehmung durch Wahl der Perspekive, außer dass man mit der Wahl der der Perspektive die Wahrnehmung manipulieren kann? Was wird mir hier erzählt über das Erzeugen von Grusel in Geisterfilmen durch das Etablieren einer mysteriösen, nicht durchschaubaren Größe, außer das Geisterfilme Geusel durch das Etablieren einer mysteriösen, nicht durchschaubaren Größe erzeugen? Was wird mir vermittelt über die Verzerrung von Sachverhalten durch eine einseitige Sicht auf die Dinge, außer dass eine einseitige Sicht auf die Dinge Sachverhalte zerzerren kann?

Der Aufbau des Films ist jedenfalls der eines Taschenspieler-Tricks: Der Betrachter wird in eine bestimmte, stark eingeschränkte Sicht auf das Geschehen gezwängt, welche dann am Ende durchbrochen und erweitert wird. Überraschung durch Informationsvorenthaltung. Das ist nciht sonderlich bemerkenswert, weil die meisten überraschenden Wendungen so funktionieren.

Was "Ajami" angeht, ist das zwar kein Gruselfilm. Aber seinem Aufbau ist ebenso wie dem von "The Others" immanant, dass die Sicht und damit die Wahrnehmung des Betrachters gelenkt und manipuliert, später dann erweitert wird. Nur im Gegensatz zu "The Others" löst das relevante Erkenntnisprozesse aus über die eigene Wahrnehmung und Bewertung von Informationen, die einem vermittelt werden. Deshalb sei mir gestattet, den Film hier anzuführen. Die Parallelen und vor allem Unterschiede drängen sich ja förmlich auf.


"Die Interpretation eines jeden kulturellen Artefakts ist bereicherend, denn niemals verliert man etwas, immer gewinnt man Erkenntnisse über Strukturen und Aufbauweisen oder Unterschiede zwischen ihnen."

Interpretation nein, Analyse ja, finde ich. Unabhängig davon, ob man einen Film mochte oder nicht mochte, kann eine Analyse manchmal bereichernd sein. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Und sei es nur deshalb, um konkret herauszukristallisieren, weshalb ein Film auf mich eine bestimmte Wirkung hatte. Das kann spannend sein. Muss es aber nicht, denn leider stelle ich in den letzten Jahren fest, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Werken filmisch und erzählerisch nach dem gleichen Schema gestrickt sind und sich im Kinoprogramm manchmal eine "Austauschbarkeit" bemerkbar macht. Erkenntnisse gewinnt man nicht, wenn man dauernd das Gleiche in Grün sieht.
  • Melden
Hm, gab's nicht mal eine Funktion zum Editieren der eigenen Kommentare? Ich sehe nur noch "reply" und "report".
  • Melden
Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was du von mir willst. Wie immer eigentlich. Weißt du, was du von mir willst?

Du musst dich schon erinnern, ob du mal deine eigenen Blog-Kommentare editieren konntest (ich bin Admin, ich kann immer alles editieren - deswegen hab ich leider etwas beschränkten Einblick in die Möglichkeiten der normalen Mitglieder). Falls ja, hat sich wohl etwas geändert. Das solltest du im betreffenden Forum dann eben melden. Falls nicht... dann ist alles beim Alten geblieben.
  • Melden
Meine Frage war offensichtlich eine rhetorische ...mit Bitte um Erklärung der Funktionsweisen des Forums.

Ist jetzt aber auch egal, denn mittlerweile habe ich mir schon des Rätsels Lösung überlegt:

Vermutlich gibt es nur ein begrenztes Zeitfenster, in dem man seine Blog-Kommentare editieren kann.
  • Melden
Wenn deine Frage eine rhetorische war, heißt das also, dass du keine Antwort erwartet hast? Glaub ich nicht... :D

Und: Schön zu wissen, mit dem Zeitfenster. Vielleicht ist es dasselbe wie im Forum...(?)
  • Melden
Diplomatie, reine Diplomatie. Auf die Frage an sich habe ich keine Antwort erwartet, weil ich sie schon kannte. Allerdings enthielt die Frage ja einen Subtext, der nach einer Antwort verlangte und der da lautete: "Verdammte Scheiße nochmal, ich will meinen Kommentar löschen oder zumindest ändern, aber das geht gerade nicht. Wieder eine Fehlfunktion hier, oder was? Klär das mal!" Aber das hat sich dann ja von alleine geklärt, weil offenbar kein Bug, sondern absichtliches Zeitfenster. Das macht die Sache zwar nicht unbedingt besser für mich, aber zumindest weiß ich jetzt, dass man sich dreimal überlegen muss, bevor man Blog-Einträge kommentiert und sich auf Diskussionen einlässt, die lang und anstrengend werden könnten, obwohl man sich im Recht fühlt. ;)
  • Melden

Filmtagebuch von...

bekay

    will in die High Society

  • Administrator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.231 Beiträge

Neuste Kommentare

Neuste Einträge

Aktuelle Besucher

Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0

Filmtagebuch durchsuchen